Klassentreffen 2017 - nach 60 Jahren –

Unsere Abschluss-Zeugnisse der Städtischen Handelslehranstalt Mainz – zweijährige Handelschule - tragen das Datum vom 27. März 1957. Lt. Schülerverzeichnis des Klassenbuchs sind die meisten 1938-41 geboren. Hinter vielen Namen stand der Vermerk: Flüchtling oder Vater gefallen. 59 Schüler/innen begannen die Ausbildung, 38 beendeten sie.

18 von ihnen – jetzt also alle über 75jährig - trafen sich am Freitag, 29. Sept. 2017 in der Favorite in Mainz aus Anlass des 60jährigen Schulabgangs.

Als Vorbereitung auf das Treffen war eine 50-seitige Festschrift produziert worden, mit Bildern und 10 Erinnerungsbeiträgen Ehemaliger. Andere steuerten am Treffen noch mündliche Berichte  bei.

Neben der aktuellen, persönlichen Situation der Teilnehmer nahm natürlich der Rückblick auf den Schulalltag vor 60 Jahren breiten Raum ein. Viele berichteten von persönlichen Erfahrungen mit einzelnen Lehrer/innen, von Wohlwollen und erfahrener Förderung. Diese Lehrer/innen mit ihren Kriegserfahrungen, das Milieu einer Stadt, die sich noch im Wiederaufbau befand, die unterschiedlichen Schüler-Schicksale….das alles bot Stoff für unterhaltsame Stories und nachdenklich Reflexionen. Diese Kriegskinder-Generation hatte schon einiges hinter sich. Vielleicht hat sich beim Spielen in den Trümmern jener Trotz und  Ehrgeiz verfestigt, der diese Generation vor Larmoyanz bewahrte. - Zum Glück waren wir eine koedukative Klasse, da war das Erotische gelegentlich attraktiver als der Unterricht.
Die letzte Strophe eines längeren Gedichtes, das zur Abschlussfeier 1957 vorgetragen worden war, fasst das Ergebnis der pädagogischen Bemühungen zusammen:

„ Da alles einmal enden muß,
das Beste meistens kommt zum Schluß,
so wird mein Opus Lorbeer ernten,
wenn wir an Ella* jetzt uns wenden.
Die Vertraulichkeit sei uns erlaubt,
denn wer hätte je geglaubt,
dass sie aus dieser wilden Bande,
die teils aus Stadt und teils vom Lande
herbeigeströmt um sich zu bilden,
vor 2 Jahren noch die reinsten Wilden,
eine Elite hat geschaffen,
die ausgerüst’ mit geistigen Waffen,
in guten Sitten unterwiesen,
das Abschlusszeugnis unterm Arm,
die Handelsschule heut’ verließen.
Für all’ die Müh’, die sie verwandt’,
sei ihr von Herzen hier gedankt.“

(Ella* (Paulat) war unsere Klassen- und Deutschlehrerin, die uns mit leidenschaftlichem Geschick im Deutschunterricht über die Literatur den Zugang zu einer ihr offenbar vertrauten Welt öffnen wollte.)
 
Erinnerung in alten Tagen macht Sinn. Manches will noch mal bedacht und in die eigene Biografie neu eingeordnet werden. „Nur auf dem Feld der Erinnerung kann man noch expandieren, reicher werden, zunehmen“, meint Botho Strauß in seinem Buch Herkunft.

Bleibt der Dank an Günter Mattis, der uns bei der Erstellung der Festschrift unterstützte und einige Stunden am Treffen teilnahm. Aus seiner eher objektiven Perspektive als ehemaliger Schulleiter  konnte er fachkundig Aktuelles mit der Historie verknüpfen und manche eigene Erinnerung an frühere Lehrer/innen beisteuern und so das Treffen bereichern.
W.D.